Heshima ya Wazee

Der Projektname ist Swahili und bedeutet „Würde im Alter“. Lena Haber war Teilnehmerin der 24. Runde der Civil Academy. Mit ihrem Verein Afroskop e.V. unterstützt sie eine Organisation in Kisumu/Kenia dabei ein Mehrgenerationenhaus zu bauen.

© Santiago Engelhardt

Erzähl uns von Deinem Projekt

Wir, der Verein Afroskop e.V., unterstützen die New Paradigm Community Based Organization (NPCBO) in Kisumu/Kenia dabei, ein Mehrgenerationenhaus zu bauen. Das Haus trägt den Namen „Heshima ya Wazee“. Das ist Swahili und bedeutet übersetzt „Würde im Alter“. Ziel des Projektes ist es, insbesondere alleinstehenden Seniorinnen einen Wohnraum zu bieten, in dem sie nicht mehr einsam sind und gut versorgt werden. Die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, dies umzusetzen, sahen wir in einem mehrgenerationalen Ansatz, aus dem auch schnell ein inklusiver Ansatz wurde. In dem Haus, das aktuell gebaut wird, werden ab Oktober 2020 jüngere und ältere verwitwete Frauen mit (Halb-)waisenkindern zusammenleben und sich gegenseitig im Alltag unterstützen. Unter den Frauen wie Kindern gibt es sowohl Menschen mit Behinderung als auch Menschen, die HIV-positiv sind. Dadurch möchte die NPCBO der nach wie vor starken Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung und HIV-positiven Menschen in Kenia entgegentreten.

Woher nimmst Du Deine Motivation für dein Projekt? Wie kamst Du auf die Idee?

Ich habe 2012 den Verein Afroskop e.V. gegründet, nachdem ich im Rahmen meines Ethnologiestudiums mit Hilfe der NPCBO eine Forschung im Dorfzentrum Gita bei Kisumu durchgeführt hatte. Mich beeindruckte der Zusammenhalt und das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder der Organisation, bei denen es sich meistens um verwitwete Frauen handelt, die sich selbst in einer Notlage befanden oder befinden und sich gegenseitig unterstützen. Ich fand es besonders toll, dass die Frauen aus Eigeninitiative Themen wie Verwitwung, HIV/AIDS, Aufklärung über Sexualität und sexuellen Missbrauch, häusliche Gewalt oder Malariaprophylaxe und -behandlung angehen und entschied mich gerade deshalb, die Projektideen dieser Frauen von Deutschland aus finanziell zu fördern.

Bereits 2012 thematisierten die Frauen immer wieder die prekäre Lage von Seniorinnen, die in ihren Häusern vereinsamen und von ihren eigenen Familien, aber auch vom Staat im Stich gelassen werden und in teils menschenunwürdigen und unhygienischen Bedingungen häufig weit unter der Armutsgrenze leben. Es wurde über einen mobilen Pflegedienst nachgedacht, doch man stellte schnell fest, dass das das größte Problem der Frauen nicht lösen würde: Die Einsamkeit. Es entstand die Idee des betreuten Wohnens für die Seniorinnen, die ich 2017 mit zur Civil Academy nahm und schließlich im Mehrgenerationenhaus mündete.

Du warst Teilnehmerin der 24. Runde der Civil Academy. Was hat das für Dich bedeutet?

Die Zusage zum Stipendium erhielt ich telefonisch von Clara, während ich in Bayreuth vor dem Umzugswagen stand, der meinen Hausstand nach Marburg bringen sollte. Es war für mich eine Zeit des Aufbruchs: Ich zog an einen neuen Ort und ich trat meine erste feste Arbeitsstelle an. Teilnehmerin bei der Civil Academy zu sein, bot mir in dieser teils auch chaotischen und emotional aufgeladenen Zeit Orientierung. Die vielen inspirierenden Gespräche mit anderen sozial engagierten Menschen motivierten mich nicht nur enorm, die Frauen der NPCBO weiter dabei zu unterstützen, das Projekt „Heshima ya Wazee“ real werden zu lassen, sondern auch meinen Verein Afroskop e.V. in vielen Bereichen weiterzuentwickeln. Die Weiterbildung der Civil Academy machte mir Mut und zeigte mir, dass Afroskop e.V. das ist, was ich langfristig beruflich machen möchte. Sie ist zudem mit den für mich obligatorischen, jährlichen Vernetzungstreffen ein fester Bestandteil meines Lebens geworden, den ich nicht mehr missen möchte.

Wie ging es mit Deinem Projekt nach der Civil Academy weiter?

Nach der Civil Academy ging es direkt in die Ausarbeitung eines ersten Konzepts für das Projekt mit meinem Team. Dieses Konzept war vor allem notwendig, um einen Antrag beim BMZ stellen zu können. Im März 2018 flogen wir dann mit dem gesamten Team nach Kenia, wo wir Interviews mit potentiellen Bewohnerinnen von „Heshima ya Wazee“ über deren Vorstellungen von ihrem neuen Zuhause führten und auf Video aufzeichneten (s. YouTube-Link unten). Gemeinsam mit den Mitgliedern der NPCBO besichtigten wir außerdem das Grundstück, das der Verein bereits erworben hatte und fertigten eine Bauskizze an. Nach unserer Rückkehr nach Deutschland arbeiteten wir am Förderantrag für Auslandsprojekte im Rahmen des Förderprogramms bengo des BMZ via Engagement Global, den wir im August 2018 dort einreichten. Das BMZ änderte in dieser Zeit seine Richtlinien und wir mussten zum Ende des Jahres den Antrag bei einer anderen Stiftung einreichen, den Schmitz-Stiftungen, sodass es schließlich bis August 2019 dauerte, bis wir die endgültige Förderzusage in den Händen hielten. Gleichzeitig machten wir im Rahmen einer Fotoausstellung, die Portraits der Frauen zeigt und ihre Geschichten erzählt, auf das Thema Alter aufmerksam. Die Ausstellung war sowohl in Ingolstadt als auch in Bonn zu sehen. Seit Anfang November 2019 wird nun endlich gebaut und die Grundmauern stehen bereits.

Was waren Herausforderungen und Hürden, was war bisher Dein größter Erfolg mit Deinem Projekt?

Das wohl Schwierigste und Zeitaufwendigste an der ganzen Geschichte war die Antragstellung beim BMZ. Vor allem der Wechsel von Engagement Global zu den Schmitz-Stiftungen verursachte große Unruhe. So mussten wir ganze Dokumente wieder in neue Formulare übertragen. Umso schöner war es schließlich, als ich dann schon in der ersten Jahreshälfte 2019 einen Anruf von der Stiftung erhielt, die maßlos begeistert von unserem Konzept war und das Projekt als eines der spannendsten Projekte bezeichnete, das sie in den letzten Jahren in den Händen gehalten hatte. Ernüchternd allerdings war zugleich, dass wir in diesem Zuge erfuhren, dass aufgrund der geänderten Richtlinien Erstantragsteller*innen nur eine Förderung von 10.000 € erhalten könnten. Das war ein großer Schock, denn ursprünglich waren 50.000 € an Fördergeldern eingeplant gewesen. Trotzdem hatten wir Glück im Unglück. Weil die Schmitz-Stiftungen unser Projekt so toll fanden, machten sie eine Ausnahme und gestanden uns 25.000 € zu. Da das leider noch immer nur die Hälfte von dem war, was wir eingeplant hatten, beschlossen wir, gemeinsam mit der NPCBO den ganzen Bauplan nochmals zu überarbeiten und alles zu streichen, was nicht sofort benötigt wurde. Am Ende entschieden wir uns, das Haus zu bauen und einzugsfertig zu machen, aber zunächst auf die Küche und das Mobiliar zu verzichten und dies in einem zweiten Projekt zur Verfügung zu stellen. Das bedeutete, dass wir erneut sehr viel tüftelten, an Zahlen drehten, an der Bauskizze kritzelten und natürlich sehr viel mit den Mitgliedern der NPCBO kommunizierten, bis wir letztendlich einen überarbeiteten Finanzplan einreichen konnten. Als dies dann alles von den Schmitz-Stiftungen genehmigt war, fehlte uns allerdings immer noch ein ganz wichtiges Dokument: Die Baugenehmigung. Wir hatten ausgerechnet die Monate erwischt, in denen Kenia eine Volkszählung durchführte und sämtliche Behörden in diese involviert waren. Aus diesem Grund mussten wir den im September 2019 geplanten Baubeginn nochmals um zwei Monate verschieben. Anfang November war die Baugenehmigung dann endlich da und es konnte losgehen. Das alles kostete uns viel Zeit und Nerven, aber es war es wert. Sehr hilfreich war hierbei vor allem das Know-how des Bauingenieurs Paul Omindo, der auch Mitglied der NPCBO ist.
Uns war es außerdem besonders wichtig, dass es ein Projekt der lokalen Partnerin NPCBO bleibt und nicht wir alles bestimmen. Die Förderrichtlinien machten es jedoch immer wieder erforderlich, dass wir den Rahmen vorgaben. Es war nicht immer einfach, zwischen diesen beiden Prinzipien die Balance zu finden. Ich möchte jedoch behaupten, dass am Ende genau im Meistern dieser Herausforderung unser größter Erfolg liegt. Dies ist vor allem unserem ehrenamtlichen Mitglied Holger zu verdanken, der fließend Swahili spricht, was die Kommunikation mit den Frauen der NPCBO enorm erleichterte. Der mehrgenerationale Ansatz war in den Köpfen der Frauen zum Beispiel bereits vorhanden und kam nicht direkt von uns. Letztendlich transferierten wir nur deren Gedanken in die deutsche „Antragssprache“. Heute können wir „Heshima ya Wazee“ nach wie vor stolz als Pilot-Projekt einer kenianischen CBO präsentieren. Ja, genau das ist unser größter Erfolg, auch wenn dieser selbstverständlich mit der Realisierung des Baus einhergeht.

Was hast Du aus der Civil Academy mitgenommen?

Ich denke, ich habe nicht nur viele gute Tipps zum Projektmanagement und zum Fundraising bekommen, verpackt in spannende Workshops mit durchweg kompetenten Referent*innen, sondern vor allem vom Austausch mit anderen Engagierten profitiert – und das Beste daran ist: All das nehme ich bis heute auch aus den Vernetzungstreffen mit. Das motiviert ungemein und ist auch auf persönlicher Ebene ein Katalysator für zahlreiche Lebensbereiche.

Was sind Deine Pläne für die Zukunft des Projekts / Deine persönlichen Pläne?

Natürlich steht nun erst einmal die Fertigstellung des Hauses „Heshima ya Wazee“ im Vordergrund. Die Bauarbeiten sollen spätestens Ende Oktober 2020 abgeschlossen sein. Dann können die Frauen bereits einziehen. Danach möchten wir die NPCBO weiter dabei unterstützen, eine anständige Küche einzubauen und das Haus vollständig zu möblieren. Ein langfristiges Ziel ist es, an dieses Projekt weitere Projekte anzuschließen, wie beispielsweise ein Jugendzentrum oder eine Art Nachhilfeinstitut. Das ist aber noch viel zu weit weg. Wir freuen uns schon, wenn zehn Seniorinnen, zehn jüngere Witwen und 28 (Halb-) Waisenkinder Ende 2020 ein gemeinsames Zuhause haben.

Aus persönlicher Sicht ist dieses Projekt ein Meilenstein, der mich motiviert, weiterzumachen und letztendlich meinen Traum, dies beruflich zu machen, umzusetzen. Ehrenamt kann sehr förderlich sein bei der Jobsuche. Leider musste ich auch die Erfahrung machen, dass ehrenamtliches Engagement vielen Arbeitgeber*innen Angst macht, vor allem wenn der eigene Beruf und das Ehrenamt sich in den Aufgabenbereichen sehr ähneln. Manche befürchten, man könnte ihnen Ideen klauen oder das Ehrenamt vor den eigenen Beruf stellen. Das finde ich schade, da ich der Meinung bin, dass man gerade im sozialen Bereich nie aufhören sollte, voneinander zu lernen und sich auszutauschen. Gleichzeitig ist dies eine zukunftsweisende Erkenntnis, die ich durch mein Engagement für Afroskop und gerade dieses Projekt gewonnen habe. Da ich mich derzeit auf Arbeitssuche befinde, ist „Heshima ya Wazee“ genau das, was mir hilft, fokussiert zu bleiben, nicht aufzugeben und vor allem endlich mein eigenes Ding zu machen. Zurzeit erarbeite ich ein Konzept für ein Projekt im Globalen Lernen. Das Thema Alter wird hier auf jeden Fall eine Rolle spielen, so viel sei schon mal verraten.